Andreas Fercher ©Franz Öbster

Die Frage nach dem großen „was wäre wenn“ stellen Wu und ich uns sehr selten. Wir leben in den Tag hinein, gehen arbeiten und in jeder freien Minute gehen wir dem Sport nach. Wir sind gesund. Zumindest fühlen wir uns so. Über schwerwiegende Krankheiten machen wir uns wenig Gedanken, nein, man kann sogar sagen, dass wir uns überhaupt nicht damit beschäftigen, was wäre wenn mal etwas wäre und unser Leben würde von den ein auf den anderen Tag ein ganz anderes sein. So oder so ähnlich ging es auch Andreas, der, wie wir selbst schon sagen, zum Inventar der Werfener Hütte gehört und der mit größter Leidenschaft immer wieder den Werfener Hochthron besteigt.

Mit großen Zielen im Kopf, unter anderem der Besteigung des Mont Blancs, trifft man Andreas fast immer im Tennengebirge. Wie eben auch an diesem einen Tag, auf der Terrasse der Werfener Hütte im vergangenen September. Zusammen genossen wir die Sonne, tranken und haben gegessen. Andreas erzählte ein bisschen und ließ ganz nebenbei die Aussage fallen, dass er da einen Knoten unter der Achsel habe und morgen mal beim Arzt sei um es kontrollieren zu lassen. Fast hätten wir es überhört und beließen es mit einem „das wird schon nichts ernstes sein“. Auch Andreas wirkte zu diesem Zeitpunkt, zumindest nach außen nicht besonders besorgt.

Übers Plattl zum Raucheck ©Franz Öbster
Andi im Königsjodler-Klettersteig am Hochkönig ©Franz Öbster

Wir möchten Euch mit diesem Beitrag auf eine wirklich sehr bewegende Geschichte aufmerksam machen, die uns bis heute zutiefst berührt und beindruckt und zugleich sehr aufgeweckt hat. Die Geschichte von einem Kämpfer, wie wir Ihn schon lange nicht mehr gesehen haben. Von einem starken Willen mit schwachen Momenten und noch größeren Zielen, dem selbst Ärzte Bewunderung schenkten.

Nur eine Woche später erfuhren wir, das Andreas die Diagnose Krebs bekommen hatte. Dieser kleine Knoten „das wird schon nichts ernstes sein“ war Krebs und es traf Andreas wie aus heiterem Himmel, genau wie uns. Hätten wir es wissen müssen? Sieht man es jemanden an? Wir wissen es nicht, wir wissen nur, dass wir großes Mitgefühl entwickelt haben, weil es für uns unvorstellbar ist, was in diesem Moment und mit dieser Diagnose, in einem vorgehen muss. Viele lassen sich bestimmt fallen, geben sich auf, wieder andere hoffen vielleicht auf Heilung, aber haben nicht die Kraft und dann gibt es Menschen wie Andreas, die sich nicht aufgeben, sondern beschließen so richtig zu kämpfen und die, in diesem Fall, realistische Chance auf Sieg, zu nutzen. Die erste Chemo-Phase von insgesamt sechs, folgte schnell nach der Diagnose – da blieb kaum Zeit, sich mit der Situation auseinanderzusetzen. Und jetzt, nur ein halbes Jahr später, durften wir mit Andi dieses Interview führen und sind zutiefst gerührt von so viel Kampfgeist und durften schon wieder einen strahlenden Andi auf der Werfener Hütte treffen.

Hast Du Dir vorher Gedanken über eine solche schwerwiegende Krankheit gemacht?
„Eigentlich nicht. Man hört zwar immer wieder etwas, aber solange es niemanden in der Familie oder im engsten Freundeskreis erwischt, macht man sich keine ersten Gedanken darüber.“
Die Diagnose muss für Dich wie aus heiterem Himmel gekommen sein und hat Dir demnach sicherlich erst einmal den Boden unter den Füßen weg gerissen. Was hat Dich aufgefangen?
„Die ersten Stunden waren schon schlimm. Am ersten Tag konnte mir auch niemand aus der Familie wirklich helfen, da es die ja fast mehr schockierte als mich. Wirklich Mut und Zuversicht konnte ich erst nach einer kleinen Runde auf die Werfener Hütte fassen. Beim Gehen, gingen mir am Anfang schon schlimme Gedanken durch den Kopf. Aber je mehr ich ging, desto zuversichtlicher wurde ich.“
War für Dich sofort klar, dass Du kämpfen wirst? 
„Ja. Eigentlich war mir schnell klar, dass ich kämpfen will und muss, wenn ich das überleben will. Ich wusste, dass das meine schwerste Tour werden würde, aber mit ein wenig Glück würde ich diese schaffen.“
Wie hast Du die Monate der Chemo-Therapie erlebt? Was hat Dir Kraft gegeben?
“ Diese Zeit während der Therapie ist mit nichts vergleichbar. Man hat starke Schmerzen, man kann nicht mehr ordentlich essen und trinken. Auch weiß man am Anfang nicht, ob das ganze Gift wirkt, wie es eigentlich sollte. Auch die Ärzte können einem noch nicht sicher sagen, ob es wirkt. Du siehst Leute sterben, sollst aber selbst nicht den Mut verlieren. Bei war da auch noch das Problem mit der Halswirbelsäule, wo die Gefahr eines Wirbelbruchs, groß war. Kraft gab mir in dieser Situation, die Unterstützung der Familie und Freunde. Ich machte es mir zur Aufgabe, mir selbst und den Ärzten von Zyklus zu Zyklus kleine und große Ziele zu setzen. Die Ärzte hatten zwar nicht immer Freude mit meinen Zielen, aber mit der Zeit wurden wir ein kleines aber feines Team und erreichten die von mir gesetzten Ziele. Ich wurde zwar von einer Therapie zur nächsten immer schwächer, aber dafür im Kopf immer stärker. Diese Aufgabe und die Erinnerungen an die Berge gaben mir Kraft. 

Christian hat mal zur mir gesagt, dass wenn man krank sei, man immer stärker wieder zurück käme. Ich muss ihm Recht geben, denn ich war noch nie so stark im Kopf, wie zur Zeit.“

Und nun? Was schwebt Dir nach Deiner erfolgreichen Chemo-Therapie und Operation vor? Was sind Deine Ziele?

“ Nach der ganzen schwierigen Zeit möchte ich jetzt erst einmal zur Ruhe kommen. Ich will ein paar Dinge in meinem Leben verändern und die einfachen Dinge genießen lernen. Das mit den Zielen ist so eine Sache. Am Anfang ist man schon glücklich, wenn einem das Essen wieder schmeckt. Ein Ziel wird sicher sein, alles etwas ruhiger und gelassener zu machen. Auch will ich mehr Zeit in der Natur und in den Bergen verbringen, denn da kommen einem viele Ideen und Ziele in den Kopf. Noch sind die Ziele klein, aber sie wachsen von Woche zu Woche und das ist auch gut so.“

Gibt es einen Lieblingsplatz, an dem Du Dich gerne aufhälst? Warum genau dieser?
„Einer meiner Lieblingsplätze ist der Hochthron. In meiner schwersten Zeit, gaben mir die Erinnerungen an die Touren rund um den Hochthron, sehr viel Energie. Ich kann auch beim biken gut abschalten, aber in der Throngegend finde ich am meisten Ruhe und Ausgeglichenheit. Ich kann nicht sagen, warum das so ist. Aber meine Frau sagt oft, dass ich nach einer Tour rund um die Werfener Hütte oder am Thron, die Ruhe in Person bin. Vielleicht ist es deswegen, dass ich viel mit meinem Dad mache, ich weiß es nicht. Aber jeder Mensch hat und braucht so einen Flecken Erde, wo er alles hinter sich lassen kann und Kraft sammelt, für alles weitere.“ 

Andi (2. v.r.) an „seinem“ Gipfelkreuz – der Werfener Hochthron ©Franz Öbster


Was kannst Du den Menschen empfehlen, die ein ähnliches Schicksal ereilt?
„Das ist gar nicht so leicht, mit Ratschlägen. Ich habe für mich einen Weg gefunden, in jedem Negativen auch etwas Postives zu suchen und zu finden. Auch rate ich jedem davon ab, sich zu Hause zu verstecken und im Internet über diese Krankheit oder das Schicksal zu lesen. Es ist viel besser raus in die Natur zu gehen. Man sollte auch versuchen, offen darüber zu reden, das hilft psychisch sehr viel. Die positive Einstellung im Kopf, ist fast schon die Hälfte der Heilung.“

Was wünscht Du Dir noch für die Zukunft?
„Ich will einfach wieder vollkommen gesund werden und mein zweites Leben genießen. Auch wünsche ich mir, weniger arbeiten zu müssen und dafür mehr Zeit in den Bergen verbringen zu können.“

Diesen Beitrag widmen wir vor allem Andi, dem wir von ganzem Herzen nur das Beste wünschen. Wir sind froh Dich wieder bei deinen Touren durch´s Tennengebirge treffen zu können und hoffen, dass wir noch ganz viele schöne Momente in den Bergen auch mit Dir teilen zu können. Auch möchten wir diesen Beitrag denjenigen widmen, die diesen schweren Weg vielleicht noch gehen müssen oder bereits auch erfolgreich absolviert haben.

Das Interview mit Andreas Fercher, haben Sabrina Schulze und Christian Wurzer geführt!