Jeder hat einen Traum. Einer meiner Träume war der Mont Blanc. Für Wu war es zwar kein Traum, aber das er mal am Mont Blanc stehen wollte, das stand auf seiner „To Do“-Liste. Darum hat er sich bereit erklärt mit mir den Mont Blanc zu gehen. Dank Berni F. der mit Julia drei Wochen zuvor ein gutes Wetterfenster erwischt hat und auch die Mont Blanc Überschreitung gegangen ist, haben wir uns inspirieren lassen und sind ihnen nachgegangen. Der Plan: Am Vortag rauf auf die Hütte „La Cosmiques“, ein kurzes Schläfchen einlegen und dann pünktlich um 01:00 nachts am 21.08.2013 starten auf den Mont Blanc über die „Three Monts Route“ die wohl zweit beliebteste Route auf das Dach Europas und weiter über die „Gouter Route“ als Abstieg bis zur Bahn/Hütte „Nid d Àigle“. Das war der Plan. Angefangen hat unser Trip von Chamonix aus, von der Bahn Aiguille du Midi.

Schlau wie wir sind, haben wir leider keine Bahn reserviert und so sind wir locker, lässig gegen Mittag am Hauptplatz angekommen und haben feststellen müssen, nein, wir sind nicht die Einzigen, die auf die Aiguille du Midi wollen. ;( So haben wir uns brav anstellen müssen, am hinteren Ende der Schlange, die hinter der Talstation erst endete. Aussicht auf zwei Stunden Wartezeit bis wir überhaupt Tickets für eine der Gondeln rauf bekamen. Wu sind ein ganz klein wenig die Sicherungen durchgebrannt. Verständlicherweise. Wir haben es dann aber doch geschafft, in einer Stunde standen wir an der Kasse, um dann eine weitere Stunde auf unsere Kabinenbahn Nummer 49 zu warten. Endlich standen wir dann in der Bahn, eng zusammengeschlungen mit weiteren 50 Personen aus der ganzen Welt. Vorzugsweise in Trägertops und Flip Flops. Gott sei Dank, gibt es keinen „Geruchsblog“ und ich kann Euch das vorenthalten. Unsere jetzige Aussicht: die Bergstation Aiguille du Midi und ein leckeres Abendessen auf der „Le Cosmiques„-Hütte und ein Sonnenuntergang der Extraklasse. Nach zwei Tagen Zwangspause in Chamonix waren wir nun wirklich voller Vorfreude.

Abstieg von der Aiguille de Midi in Richtung Col du Midi

Die Hütte ist als Startpunkt auf einer Höhe von 3613m für die „Three Monts“- Route wirklich zu empfehlen. Sauber, nette Lager, und verdammt gutes Essen! Wir haben ein paar nette Amerikaner und Deutsche kennengelernt, sind dann aber direkt nach dem Abendessen ins Bett gegangen. So wie irgendwie alle.

Terrasse Les Cosmiques-Hütte.

…ebenfalls Terrasse der Les Cosmiques-Hütte.

Ausblick auf die Aufstiegsroute.

Um 01:00 in der Früh gab es Frühstück, das Aufstehen fiel mir leicht. Ich war ziemlich aufgeregt und Wu war auch glücklich, dass es endlich los ging.  Noch schnell frühstücken und dann ging es pünktlich los in die sternenklare Nacht mit Vollmond. 🙂  Es war eigentlich gar nicht so kalt. Die Gletscherausrüstung saß, das Set-Up stimmte.

Start um 01:30 in der Früh.

Also los über das Col du Midi zur ersten Schulter unterhalb des Mont Blanc du Tacul. Ein steiler Anstieg, der uns zur ersten Schlüsselstelle gebracht hat. Ein Bergschrund von ziemlicher Größe, den es zu überwinden galt. Das ging nur über eine senkrechte Eiswand von drei Meter Höhe. Gott sei Dánk hat der Wu eine super Einführung in der Benutzung von Eisgeräten von Rupi bekommen, und hat Wu ein Eisgerät zusätzlich dabei gehabt. Zunächst hat Wu erst einmal so einigen Leuten helfen müssen, da sonst keiner hilft und wir wahrscheinlich heute noch da stünden. Nach ein bisschen Wartezeit, da einige ihr Glück daran versuchten, und selbst der Bergführer etwas verlassen dort stand, da er nur einen Eispickel dabei hatte, ist Wu ziemlich professionell daran hochgeklettert um eine Sicherung für mich zu bauen. Mir wurde schlecht. Ich habe noch nie so etwas geklettert. Mit einer großen schwarzen Spalte unter mir. Als ich endlich an der Reihe war, ging es dann eigentlich recht flott. Als hätte ich noch nie etwas anderes in meinem Leben gemacht. Ist ja klar, dass ich mir unter den Augen vieler, nicht die Blöße geben wollte.

Ausstieg Bergschrund vom Mont Blanc du Tacul.

Geschafft. Ab jetzt waren wir so ziemlich alleine auf dem Weg. Weiter Richtung Schulter, vorbei an einem Serac, mit einen Zwangszwischenstop. Wu hat seinen Eispickel verloren. Der rutschte einige Meter runter. Gott sei Dank blieb er hängen. Das wäre sonst später etwas zum Verhängnis geworden. Erster Anstieg geschafft. Auf 4120m ging es dann wieder runter ins Col Maudit (4035m). Um dann zum zweiten steilen Anstieg Richtung Col Du Mont Maudit (4345m) anzusteigen. In der Dunkelheit habe ich zum Glück nicht gesehen was für eine steile Schneeflanke auf mich wartete. Irgendwann wurde es so steil, dass es dann wirklich um die Sache ging. Zumindest für mich. Meine erste Schneeflanke von ca. 50 Grad Steilheit. Mein erstes Mal! Wu ist souverän vorgeklettert und hat mir sein Steileisgerät zusätzlich gegeben und mich nach oben gelotst. Er hat mir ein extremes Sicherheitsgefühl gegeben. Obwohl die gesetzten zwei Einschrauben (eine für meine Selbstsicherung und die zweite für ? irgendwo nach 40 Metern bei Wu oben), sicherlich nur zur Optik waren.

Schneeflanke ca.50 Grad am Mont Maudit.

Ein bisschen Mixed-Kletterei kam noch hinzu und nach knapp zwei Stunden standen wir am Col du Mont Maudit.

…immer noch Schneeflanke am Mont Maudit – jetzt meine erste Mixed-Kletterei! 😉

Der Ausblick war atemberaubend und der Mont Blanc zeigt sich zum ersten Mal an diesem Morgen in seiner vollen Pracht. Erst einmal der Abstieg ins Col de la Brenva (4303m). Von dort aus ging es in einer leichten Steigung weiter Richtung Mur de la Cote (4485m) und schlussendlich auf die nie enden wollenden Serpentinen in Richtung Gipfel des Mont Blanc. Das waren die härtesten 400HM meines Lebens. Die Luft zum atmen war schon sehr knapp. Gott sei Dank waren wir halbwegs gut akklimatisiert vom Gran Paradiso und trotzdem fühlst Du Dich, als geht gar nichts mehr. Wu hingegen muss zwar auch a bissl mehr atmen, fühlt sich aber trotzdem ziemlich fit und: „ein wohliger Schauer läuft mir den Rücken hinunter bei dieser Art des Bergsteigens.“ Das ist schon cool. Aber auch ihm kamen die letzten HM ziemlich lang gezogen vor. Wir waren nach wie vor so gut wie alleine, haben einige Gruppen hinter uns gelassen. Sterbefälle sieht man darauf wirklich genug – die Bergführer zerren die Leute wirklich irgendwie darauf, aber auf den letzten Meter geht bei fast allen gar nichts mehr.

Dann war es endlich soweit: DER GIPFEL! Nach 6 1/2 Stunden und fast 1600HM Aufstieg. Mit nur acht weiteren Bergsteigern mussten wir diesen teilen. Sonnenschein und endlose Weite. Am Dach Europas, die Anstrengungen des Aufstiegs waren sofort vergessen. Nur der Wind war leider etwas heftig. Aber man kann ja nicht alles haben.

Wu am Gipfel des Mont Blanc.

Wir beide am Gipfel des Mont Blanc.

Noch ein Gipfelbild.

Nach ein paar kurzen Augenblicken haben wir uns direkt an den Abstieg gemacht. Diesen haben wir über die „Gouter Route“ gewählt. Über den Bossegrat ging es Meter um Meter hinab. Immer den ganzen heraufkommenden Bergsteigern ausweichend und den Ausblick genießend. Weiter über den Dome du Gouter, zum Refuge du Gouter (3800m). Eine Hütte, die überwiegend als Startpunkt für die Gouter Route auf den Mont Blanc genutzt wird. Ein ziemlich futuristisch anmutendes Gebäude, dass völlig überfüllt ist. Dort haben wir mal kurz Pause gemacht. Die ersten 1000HM Abstieg lagen hinter uns, die Sonne knallte auf uns herab. Endlich raus aus den Steigeisen und der Überhose. Müsliriegel und endlich etwas trinken. Der Wind ließ nach und die Luft zum Atmen war auch wieder viel besser. Aber was dann auf uns wartete, zerrte an unserer beider Nerven! 1400HM Abstieg über das Grand Couloir zur „Tete Rousse“-Hütte (3167m), über den wohl längsten Stein-Haufen, den wir je gesehen haben.

Einstieg in die Abstiegshölle zum Grand Col.

In 100.000 Serpentinen und leichter Kletterei ging es abwärts in Verbindung mit etwas unbeholfenen Gipfel-Aspiranten, machte das ganze auch noch etwas gefährlich. Uns kamen Millionen von Mont Blanc-Anwärter entgegen. Wer sagt, dass sei die beste Aufstiegsroute Richtung Mont Blanc, dem können wir nicht Recht geben. Diese Route würden wir nie wählen, da es eine endlose staubige Angelegenheit ist, mit viel zu vielen anderen Bergsteigern 🙁 Ich gebe zu, ich bin schon ziemlich müde gewesen und die Füße waren auch nicht mehr so begeistert. Auch Wu hatte erste Schmerzen an seinem großen Zeh zu verkünden. Wann kommt denn nun endlich die blöde Zahnradbahn, die uns nach unten bringt?! Die eigentliche Seilbahn, die einen nach  Les Houches bringt, ist leider letzte Woche abgebrannt. Daher der Umweg über die Zahnradbahn. Irgendwann nach fast 3000HM Abstieg erblickten wir sie dann endlich. Die Bahn.

Zahnradbahn, nach 12 Stunden Überschreitung des Mont Blanc.

Netterweise bekommen dort Bergsteiger immer Vorrang und so wurden wir direkt auf die nächste Bahn eingeteilt. Gott sei Dank. Das Ende ist in Sicht. Aber ACHTUNG, die Bahn fährt eine geschlagene Stunde und 10 Minuten runter ins abgelegene Dorf St. Gervais. Wir haben beide die Nerven verloren. Sitzplatz Fehlanzeige, um 52€ ärmer und dann Endstation in St. Gervais. Zurück zu unserem Campingplatz sind es rund 30km. Ein Bus fährt nicht, der Zug erst in einer Stunde. Wir haben uns den Luxus eines Taxis geleistet. Glücklich sind wir erst einmal in die Duschen gefallen um dann anschließend den Gipfel in Chamonix zu feiern. Gut, feiern klingt irgendwie übertrieben. Wir haben eine Cola getrunken und bei MC Donalds gegessen. Dann sind wir beide ziemlich müde im Zelt eingeschlafen. Ein großartiger Tag! Ein Traum wurde war!

Ein paar Tipps:
In Chamonix ist es lohnenswert, den Bahn Multi-Pass zu kaufen. Der berechtigt beispielsweise für 62€ pro Person alle Bahnen zu nutzen und das für zwei Tage lang. Man spart sich also ziemlich viel Geld. Wir haben das leider vorher irgendwie nicht gecheckt. Die Hütte „Les Cosmiques“ ist wirklich zu empfehlen. Freundlich, sauber, gutes Esse und die haben ganz spontan (einen Tag vorher) noch zwei Schlafplätze freigehabt. Zur Info: Manche buchen schon Monate im Voraus, weil sonst alles voll ist. Wir würden immer die Route „The Three Monts“ empfehlen. Die bietet ganz eindeutig den schöneren Aufstieg zum Mont Blanc und es sind weniger Leute unterwegs.
Den Mont Blanc-Führer sollte man direkt in Chamonix kaufen, den gibt es in jedem Kiosk recht günstig. Außerdem gehen wir davon aus, dass der große Bergschrund am ersten Aufstieg zum Mont Blanc du Tacul nicht mehr lange passierbar ist ohne größere Komplikationen. Daher unbedingt ein weiteres Steileisgerät mit einpacken! Wer über die Three Monts Route auch wieder den Abstieg machen möchte, der sollte für das Col du Maudit Abseilausrüstung dabei haben! Bei uns war die erste Abseilstelle eingerichtet. Ganz wichtig ist immer die Beobachtung des aktuellen Wetterberichts. Der Wind spielt eine große Rolle am Mont Blanc und ist nicht zu unterschätzen. Es kann in Chamonix 30 Grad haben, dann kann es sein, dass am Gipfel -20 Grad herrschen.

UND KREDITKARTE nicht vergessen – Chamonix ist etwas teuer! 🙂
Ein paar weitere Impressionen: