Es hat uns endlich wieder gepackt, das Bergsteigerfieber ist in uns ausgebrochen und so haben wir am 27.12. noch einmal einen fantastischen Bergtag in diesem Jahr erleben dürfen. Nachdem die letzten zwei Monate eher ruhiger waren, haben wir jetzt ganz spontan einen neuen Berg in unser Gipfelbuch aufnehmen können, die Vordere Kendlspitze (3088m).

So spontan wie diese Idee auch kam, so undurchdacht war die Sache. Wir hatten uns am Vorabend ein paar Bilder aus Osttirol angeschaut und stellten fest, dass dort leider ebenso wenig Schnee liegt, wie bei uns. Und das es dort noch einige Gipfel gibt, die man „quasi“ ohne Ski und Winterausrüstung besteigen kann. Über die Kendlspitze hatten wir vorher noch nichts gehört, waren uns aber sicher, dass wir diesen Berg gerne machen wollen würden. Also waren unsere Sachen schnell gepackt und der Wecker gestellt. Natürlich schafften wir es nicht pünktlich aus den Federn und kamen viel zu spät los. Morgens fragte ich doch noch mal, ob wir vielleicht Steigeisen mitnehmen sollten, ich war mir kurz unsicher. Wir entschieden uns, diese zu Hause zu lassen.

 

Die Kendlspitze ist kein Berg, den man mal eben geht Ende Dezember

Also zu spät und ohne Steigeisen fuhren wir nach Kals, zum Taurerwirt, von dem unsere Tour starten sollte. Erst um 09:30 Uhr gingen wir los, dafür aber schon in der strahlenden Sonne. Vorbei am Taurerwirt, geht es ein Stück den Weg 516 entlang, bevor wir dann den Weg 22 einschlugen. Dieser Waldweg führte in vielen, steilen Serpentinen hinauf zur Kerer Alm, die man im oberen Bereich über eine breite Forststraße erreicht. Immer wieder hatten wir fantastische Ausblicke auf die umliegenden Berge.

Abzweigung auf den Weg Nr.21…
…der in den Wald führt.
Wu auf dem wunderschönen Aufstiegsweg.
Ohne Worte.
Kurz unterhalb der Kerer-Alm…
…findet man noch alte Heustadl.
In dieses Tal bin ich beim Glockner-Trail gelaufen.
Die Kendlspitze (3088m) im Hintergrund.

Bis hierher hatten wir noch keinen Schneekontakt. Also ging es zügig immer weiter hinauf, denn zum Hohen Tor (Scharte) mussten wir noch hinauf. Die Kendlspitze konnten wir dabei schon die ganze Zeit sehen, auch sie sah schneefrei aus. Ein paar Schneereste kreuzten unseren Weg erst unterhalb der Kerer Hochalm, die etwas im Schatten lag.

Noch ein ganzes Stück unterhalb der Kerer Alm.
Luke hat Spaß, oberhalb sieht man schon die Kerer Hochalm.
Die Kerer Alm.

Aber alles war gut gehbar. Ab der Kerer Hochalm ging es dann nahezu gerade hinauf auf´s Hohe Tor. Hier hatten wir etwas mehr Schnee, dann aber auch freie Wiesenhänge.

Die Blauspitze wollten wir eigentlich auch noch besteigen.
Hinauf über Wiesenhänge und…
…Schneefelder zum Hohen Tor.

Als wir das Hohe Tor erreichten, waren wir noch immer sehr gut in der Zeit und ließen uns etwas Zeit für Bilder. Danach folgte eine lange Querung, erst unterhalb des steilen Grasgipfels des Zeiger Kofelkopfes und dann durch die nach Süden, später nach Westen abfallenden, exponierten Steilhänge der Kendlspitze.

Eine ganz lange Querung.
Ausblicke zum Schwärmen.
Luke ist natürlich immer vorne, Wu auch.

 

Steigeisen? Brauchen wir nicht. Doch!

Und noch immer ahnten wir nichts Böses. Luke hatte seine reinste Freude auf diesem Stück, denn es ging nahezu flach auf weichem Boden dahin. Und dann erreichten wir das Dürrenfeldkar und es beschlich uns das erste Mal an diesem Tag das Gefühl, dass es wohl selten blöd war, keine Steigeisen dabei zu haben. Wir hätten es besser wissen müssen, dass man zu dieser Jahreszeit einfach nicht mehr ohne Steigeisen einen 3000er besteigt. Aber Wu wollte sich zunächst erst einmal die genaue Lage anschauen. Läge Trittschnee in dem Westhang, müssten wir es schon schaffen.

Der Westhang mit der Rinne ganz oben, die wir hinauf mussten.

Also gingen wir noch ein Stück unterhalb der Dürrenfeldscharte. Zunächst ging es über einen Schutthang leicht ansteigend aber ziemlich mühsam etwas hinauf bis zu einem großen Block, den wir nutzen um Luke in seinen Rucksack zu setzen, damit er geschont wird. Damit hatte Wu ganze 14kg Zusatzgewicht auf dem Rücken. Es zeichnete sich ab, dass der Schnee gut zum gehen sein würde. Also spurte Wu den steilen Hang hinauf, ich hinter ihm her. Ich hatte ein mulmiges Gefühl, so ohne Steigeisen, aber der Schnee war gut zum stapfen.

Schon mitten auf dem Schutthang.
Wu mit Luke im Rucksack im Aufstieg, steil war es.

Der Hang steilte zwischenzeitlich auf fast 45° auf, dann wechselten wir kurz links in die Felsen, weil wir dachten, die wären sicherer als der Schnee. Das war aber falsch gedacht, die waren mehr als brüchig. Also zurück in den Westhang durch den Schnee.

Wu spurt rüber zu den Felsen.

Die Zeit war schon etwas fortgeschritten, wie kamen nicht ganz so zügig voran. Sicherlich weil ich mal kurz die Nerven weg geschmissen habe. Kurz unterhalb der Scharte zwischen der Hinteren und der Vorderen Kendlspitze, mussten wir dann auch noch ein bisschen kraxeln. Ein Drahtseil ist dort, aber das war vereist.

Der Steilaufschwung kurz unterhalb der Scharte.

Nach einer geraumen Zeit erreichten wir dann die Scharte zwischen der Hinteren und der Vorderen Kendlspitze, dass erste Mal atmete ich tief durch. Über den Steilaufschwung, im Schnee, stiefelten wir weiter nach oben. Hier liegt auch ein Drahtseil, bei uns war dies zum Teil aber komplett im Schnee. Über ein kurzen, blockigen Grat immer weiter nach oben. Hier fühlte ich mich schon wieder sicher und Wu ließ mir den Vortritt zum Gipfel.

Die letzten Meter auf dem Weg zum Gipfel…
…der Kendlspitze.

Den erreichten wir dann über ein flaches und deutlich leichteres Stück. Am Gipfel selber ist kaum Platz. Luke durfte kurz aus seinem Rucksack hinaus und sich die Beine vertreten, aber nur angeleint.

Gipfel der Kendlspitze
Gipfel Kendlspitze (3088m) am 27.12.2015
Tripple-Selfie am Gipfel der Kendlspitze (3088m)
Luke genießt die Sonne.

Abstieg bei untergehender Sonne

Und auf Grund der fortgeschrittenen Zeit, verweilten wir nicht ganz so lange. Also war alles schnell verstaut und wir machten uns an den Abstieg. Der folgte dem Aufstiegsweg und wir waren deutlich schneller als rauf. Den Westhang kraxelten wir also wieder runter und erst unten zurück am Dürrenfeldkar ließen wir es langsamer angehen – eine Stirnlampe hatten wir ja eingepackt und den recht einfachen Rückweg, würden wir immer problemlos schaffen.

Wir sind alle auf dem Bild zu sehen – Rückweg zum Hohen Tor.

Als wir zurück am Hohen Tor waren, ging die Sonne gerade unter und bescherte uns noch einmal wunderschöne Minuten.

Sonnenuntergang am Hohen Tor…
…und dann schon mit Jacke.

Dann ging es zurück zur Kerer Hochalm und noch weiter hinunter zur Kerer Alm, bevor wir dann die Stirnlampen auspackten.

Runter zur Kerer Hochalm

Wir diskutierten bereits darüber, dass es einfach selten blöd gewesen sei, keine Steigeisen mitgenommen zu haben. So etwas darf uns nicht passieren, aber wir haben uns gedanklich von den schneefreien Bildern „blenden“ lassen, nicht näher darüber nachgedacht. Und man geht solche Touren auch nicht erst um 09:30 Uhr zu dieser Jahreszeit los.  Nichts desto trotz war das ein gewaltig schöner Tag, ganz ohne Menschen, ganz ohne Eile mit 1750Hm. Die Kendlspitze ist der südlichste 3000er der Granatspitzgruppe und bekommt auf jeden Fall das Prädikat „Lohnenswert“.

 Wir haben auch wieder einiges gelernt bzw. ich. Gott sei Dank ist Wu so ein guter Lehrmeister und lotst uns immer sicher durch alle Touren. Danke dafür.