Erst einmal wieder auskurieren und erholen. Sofern das auf 3100 Metern in Huaraz geht. Wir haben die heimische Apotheke MiFarma geplündert. Grippemittel und Vitamine mit 1000mg-Tabletten. Es ist eben genau das, was man sich nicht wünscht, bei so einer knapp bemessenden Bergreise. Aber Trübsal blasen hilft halt auch nichts. Nicht ganz fit, aber wieder motiviert, suchen wir nach einem „neuen“ Ziel. Ich kann mich diesmal ein bisschen für den Copa (6188m) einsetzen und der Rest stimmt zu. Aber wir brauchen noch zwei Ruhetage mindestens und entschließen uns für den Aufstieg ins erste Lager am 20.07.

In unseren Führen stehen ein paar Stichworte: Einer der leichteren 6000er der Cordillera Blanca, häufig begangen, gute Erreichbarkeit, sehr beliebter Berg. Aber die Realität sollte uns schnell wieder etwas anderes lehren. Willy sollte sich für uns nach den Konditionen am Berg erkundigen und uns ein Taxi organisieren, dass uns in den Talort Vicos bringen würde. Er fragte mehrmals, ob wir wirklich den Copa gehen wollten, da sei nämlich schon lange niemand mehr rauf gekommen. Die Spalten seien alle so groß, das man nicht drüber käme. Und überhaupt geht den Berg doch niemand. Aber er würde sich für uns um alles kümmern. Tat er dann auch und wir waren gespannt.

Aufregung in Vicos und: „Wo geht´s hier zum Copa?“

Pünktlich wie immer steht unser Taxi vor der Tür. Dieses Mal fährt Willy auch wieder mit. Er will schauen, wie es in Vicos ist damit er demnächst eben auch Bescheid weiß. Nach einer knappen Stunde Fahrt kommen wir bereits in Vicos an. Es stehen genau drei Esel bereit. Und es herrscht Aufregung im Dorf. Wir fallen auf, als wie das Gepäck entladen und die Preise

Willy verabschiedet uns zum Copa und wünscht uns Glück.

verhandeln. Willy übersetzt für uns. Wir wissen gar nicht, wie wir Willy für alles danken können. Sicherlich haben wir inzwischen auch eine Freundschaft aufbauen können. Ein tradionell bekleidete Peruanerin scheint hier die Chefin im Dorf zu sein. Sie managed alles und fährt mit uns ein paar Meter weiter rauf. Dann steigen wir alle aus.

Es ist schon etwas besonderes, dass wir den Copa probieren. Die umliegenden Bauern kommen ebenfalls aus ihren Häusern. Der Berg, der nach der peruanischen Behütung benannt ist, ist den Dorfbewohnern sehr heilig. Wir sollen auf Manuel den Eseltreiber warten. Denn ohne ihn würden wir den Aufstiegsweg nicht finden. Sie sollte Recht behalten, das war schon nicht ganz einfach. Zum Abschluss gab es noch ein Bild mit Willy.

Immer dem Hut zum Copa folgen

Dann gingen wir los. Berni und Julia kamen Manuel sehr gut hinterher, wir mit Abstand etwas dahinter. Quer durch die Bauernhöfe und dann hinein in den Wald. Ganz märchenhaft, aber gefunden hätten wir den Weg nie. Erst einmal ging es etwas auf und ab, dann endlich richtig bergauf. Durch Wald, der uns ein bisschen vor der Sonne schützt und später dann durch recht karge Landschaft mit sensationellen Ausblicken auf den Huascaran und auf unseren Copa.

Der Weg zieht sich Serpentine um Serpentine nach oben. Berni und Julia kommen viel besser als wir voran und deshalb verlieren wir sie aus den Augen. Ich kämpfe mit Schnupfen. Wir sehen einen Fuchs der den Weg quert und dann treffen wir auf eine Herde Kühe. Interessant. Nur sehen wir keine Esel, Manuel oder Julia und Berni mehr.

Dafür treffen wir dann auf ein schlichtes Zelt neben einem Steinhaus. Zwei Bauern schlüpfen heraus. Sie können kein Wort Englisch, verstehen auch nicht was wir von ihnen wollen, als wir sie nach unseren Freunden fragen. Dafür erklären sie uns die ganze Zeit, das vor uns der Copa liegt. Ja, so weit waren wir auch schon. 🙂 Das konnte auch wirklich nur uns passieren, dass wir uns auf dem Weg ins Basecamp verlaufen.

Ich setze mich auf einen großen Block und halte Ausschau. Wu schaut auch umher. Dann plötzlich entdeckt er Julia, Berni und ein gelbes Zelt 200 Höhenmeter weiter unten in einer Nische. Extra-Höhenmeter, prima. Aber Gott sei Dank haben wir die beiden gefunden. Wir steigen wieder ab und bauen ebenfalls unser Zelt auf. Dann essen wir ausgiebig und mit der untergehenden Sonne, verziehen wir uns in unsere Schlafsäcke. 12 Kilometer und 1700 Höhenmeter machen müde und um 03:00 Uhr in der Früh würde der Wecker klingeln. Dann müssen wir alles wieder verpacken und uns mit schwerem Gepäck in Richtung Hochlager auf 5300 Metern aufmachen. Ach ja und bis jetzt haben wir noch keine Menschenseele angetroffen.

 

Der perfekte Hochlagerplatz auf 5300 Metern und ein Sturm

Es ist gar nicht so kalt, als wir uns aus dem Schlafsack um 03:00 Uhr in der Früh quälen. Aber es ist so früh. Uns steht der Aufstieg zum Hochlagerplatz bevor und das mit schwerem Gepäck. Es ist noch dunkel als wir über die Moräne stolpern. Es ist ziemlich mühsam. Berni aber führt uns perfekt durch die Moräne zur „Schneeflanke“.

Die Schneeflanke ist schon lange nicht mehr wirklich eine Schneeflanke. Stellenweise bietet sie jetzt nur noch Fels und/oder Blankeis. Wir legen unsere Ausrüstung und vor allem die Steigeisen an. Im unteren Bereich kommen wir noch sehr gut gehend voran. Der harte Schnee bietet eine gute Unterlage. Dann wird es steiler und wir müssen ein paar Meter über Eis weiter nach oben.

Dann erreichen wir wieder pickelharten Schnee und die letzten Meter in der Flanke können wir schon wieder recht aufrecht gehen. Rund 45 Grad hat diese Rinne, aber leider kaum noch Schnee wie es in den Führern steht. Beim Ausstieg machen wir in den wärmenden Sonnenstrahlen erst einmal Pause und essen was. Mehr oder minder flach geht es dann erst einmal weiter.

Wir erreichen das eigentliche Hochlager-Plätzchen und mit ihm auch zwei Zelte. Zwei Peruaner sind dort. Erklären uns, dass sie „nur“ den kleinen Copa gemacht hätten. Den kleineren Bruder.

Dann ziehen wir noch ein Stück weiter höher. Wir wollen uns für den Gipfeltag ein paar Höhenmeter sparen und steigen noch bis 5300 Metern auf, finden das perfekte Plätzchen für unsere Zelte. Wir sind alleine am Berg und das Wetter einfach nur traumhaft. Kein Lüftchen, kein Wölkchen. Die Ruhe vor dem Sturm quasi. Und dann pünktlich zum schlafengehen, drückt jemand des Schalter des Ventilators ein. Es rüttelt, schüttelt und zerrt an unseren Zelten, es ist laut und empfindlich kalt. Wir bekommen kein Auge zu.

Es ist unheimlich, fast nicht zu beschreiben, wenn man es nicht selbst miterlebt. Berni steht um Mitternacht auf und geht vors Zelt. Das mit dem Aufstieg zum Copa können wir vergessen. Wir warten ob es am Morgen weniger Wind wird. Schlafen kann keiner von uns, also liegen wir inzwischen 14 Stunden in diesem kleinen Zelt in unseren Schlafsäcken und hoffen das der Wind weniger wird.

Einen Versuch auf den Copa müssen wir starten

Gegen 08:00 am Morgen ist der Wind zwar nicht weniger geworden, aber die Motivation es zumindest auf den Gipfel zu versuchen. Also machen wir uns in den Zelten bereit, ziehen alles an was wir haben und befestigen die Zelte noch einmal neu. Wir stehen im vollen Wind, der uns nahezu umpustet, aber unsere Bilder schauen nach wunderbarem Wetter aus. Unglaublich.

Gegen neun Uhr ziehen wir los. Langsam. Schnell geht nicht. Wir sind müde und ausgelaugt und der Gegenwind ist nahezu unüberwindbar. Der Aufstieg ist auf den ersten Metern nicht schwer, es ist „nur“ ein Hatscher. Aber wir haben uns auch eine Zeit für die restlichen 900 Höhenmeter gegeben, bei der wir am Gipfel des Copa sein oder eben umdrehen müssen. Die Bedingungen schauen gar nicht so schlecht aus. Aber ja, wir wissen auch noch nicht wie die Spaltensituation über den vor uns liegenden Hängegletscher ausschaut und weiter oben am Grat.

Bei dem Wind würde das Gehen des Grates ohnehin sehr spannend bis unmöglich werden. Der Wind lässt nach wie vor nicht nach. Ein Blick auf die Uhr und es wird klar, dass wir umdrehen müssen. Wir haben erst 400 Höhenmeter geschafft und der schwierigste Teil würde noch kommen. Uns geht es gesundheitlich auch nicht mehr so richtig gut, als das wir hätten „Gas“ geben können und der Wind ist immer noch unser Gegner.

Unter der nächsten Steilstufe, fassen wir den schmerzhaften Entschluss umzudrehen. Dieser Entschluss ist nie leicht. Wir gehen alle unterschiedlich damit um. Ich verliere noch einen meiner Handschuhe – vielleicht eine Opfergabe? Hauptsache wir kommen gesund und munter runter.

Warum wir nicht noch einen Versuch gewagt haben? Wir hätten nicht mehr genug Gas gehabt. Und das Wetter war für den kommenden Tag tatsächlich mieser angesagt. Also halten wir kurz inne und machen uns dann an den Abstieg. Es ist wie verhext, aber das ist die alpine Realität. Da gibt es keine Garantien. Zurück bei unseren Zelten haben wir größte Not, diese bei diesem Sturm abzubauen, schaffen es aber mit vereinten Kräften irgendwann und steigen Stück für Stück ab. Die zwei Peruaner sind auch schon weg. In der Rinne müssen wir abseilen und dann folgt der lange, lange Abstieg zurück nach Vicos. Wir sind insgesamt an diesem Tag 10 Stunden mit schwerem Gepäck und Schuhen unterwegs. Wie sich das anfühlt brauche ich vermutlich nicht erklären.  Es ist die Hölle und es kommt die Frage auf, wieso man das eigentlich macht. Alpinstil ist eben selten schön, aber immer ehrlich.

Es ist bereits dunkel als wir unten im Wald sind. Wir haben noch ein Stück entlang der kleinen Höfe. Etwas mulmig ist uns schon. Weiter unten wartet bereits Willy auf uns mit dem Taxi. Ein bekanntes Gesicht, das tut gut. Und er hat kalte Getränke für uns mitgebracht. Bier, Cola und Mineralwasser. Oh wie man das zu schätzen lernt. Im Hotel zurück trocknen wir am nächsten Tag erst einmal alle unsere Klamotten, Zelte und Schlafsäcke und bevölkern den kleinen Garten. Aber das kennt Willy schon von uns. Und wir müssen uns mit der Realität beschäftigen, dass wir nur noch ein paar Tage in Peru haben und wie wir diese verbringen wollen.

Machu Picchu – eins der sieben Weltwunder

Die, die uns auch auf Facebook folgen, wissen ja schon für was wir uns entschieden haben. Fünf Tage Zeit für einen 6000er. Das kann reichen, muss es aber nicht. Schon gar nicht wenn man so wie Wu und ich gesundheitlich ziemlich angeschlagen ist. Und weil einfach „abhängen“ in Huaraz auch keine Alternative gewesen wäre, haben wir uns für einen Trip zum Maccu Piccu entschieden. Für diesen Trip braucht man, wenn man sich etwas Zeit lässt nämlich auch gut und gerne mal fünf Tage.

Also fuhren wir in einer Nacht und Nebel-Aktion und einem ziemlich unangenehmen Zwangsstop durch die Polizei von Huaraz nach Lima noch am gleichen Tag. Nahmen einen Inlandsflug nach Cusco, schliefen eine Nacht dort, fuhren dann nach Aquas Calientes und besuchten einen ziemlich magischen, beeindruckenden und sensationellen Flecken Erde, eins der sieben Weltwunder: Machu Picchu.  Wir haben auch gar nicht viele Worte, die das Erlebnis beschreiben könnten. Das muss man fast mit eigenen Augen gesehen haben. Daher lassen wir hier jetzt einfach die Bilder wirken und beenden unsere Perureise.

Für uns war diese Reise wieder sehr lehrreich. Auch wenn sie nicht nach Plan verlaufen ist, wir uns den einen oder anderen Gipfel mehr gewünscht hätten: Wir waren wieder ehrlich unterwegs und haben lernen müssen, dass wir Gott sei Dank, einige Dinge noch nicht beeinflussen können. Das ist unsere Gesundheit, Konditionen und Wetter am Berg. Es gehört am Ende des Tages auch immer eine große Portion Glück zu einem Gipfelerfolg und das man allzeit auch wieder gesund heim kommt. Die Erlebnisse dieser Reise bleiben für immer und wir haben ein paar Gründe wieder zurück zu kommen.

Und wie immer wollen wir gerne ein paar lobende und liebe Worte loswerden: In erster Linie wollen wir Berni und Julia danken. Dafür dass wir wunderbare drei Wochen miteinander verbracht haben, ohne Streit, mit viel Verständnis, Zusammenhalt und Spaß. Das ist nicht immer selbstverständlich. Danke. Außerdem an Werner, Dani und Stefan, die ganz wunderbar unseren Luke während unserer Abwesenheit umsorgt und gepflegt haben. Besser könnte er es gar nicht erwischen. Danke.

Und dieser Dank ist für Willy:

Estimado Willy, queremos darle las gracias de todo corazón por todo. Haces que nuestra estancia en Huaraz siempre algo muy especial. Gracias por su esfuerzo y siempre haces todo lo posible para nosotros. Ver que de nuevo pronto.

Und dann natürlich an unsere Unterstützer ohne deren Equipment wir sicherlich nicht so sorglos hätten sein können. Salomon Outdoor für die komplette Bekleidung. Salewa für die Schlafsäcke, Zelte, Seile und Eisschrauben. Blue Ice für die genialen Rucksäcke, ob groß oder klein. La Sportiva für den wohl genialsten Expeditionsschuh, den es gibt. Und Outdoortrends, für alles, was uns spontan noch so eingefallen ist. Danke für Eure Flexibilität und die immer schnelle Lieferung.

Teil Eins gibt es hier und Teil Zwei gibt es hier.