Die Waschmaschine läuft und wir hören sie unten im Keller brummen. Sind wir tatsächlich schon wieder zu Hause? Woher kommt der Geruch von Berg, Schweiß, Dreck und fettigem Essen in unserer Wohnung? Haben wir den etwa mitgebracht? Wir glauben, wir sind tatsächlich wieder zu Hause – das ging irgendwie alles viel zu schnell. Wo ist die atemberaubende Skyline des Pik Lenin hin? Wo die Pferde und unsere Zelte? Wir sitzen in unserer Küche in diesem Moment und beginnen die vergangenen Tage zu verarbeiten. Diese Nacht bot uns unsere Traumwelt ein faszinierendes Schauspiel, die Verarbeitung der Eindrücke ist in vollem Gange. Was uns helfen wird, ist dieser Expeditionsbericht aus Kirgistan, in dem wir versuchen werden Euch ganz nah an unseren Erlebnissen teilhaben zu lassen. Und wie fangen wir das jetzt am besten an? Am besten von vorne und Tag für Tag. Das ist also der erste Teil von drei Berichten. Und weil wir viel zu erzählen haben, nehmt Euch jetzt ausreichend Zeit und am besten einen guten Kaffee zum lesen.

Tag 1-3 Anreise in ein unbekanntes Land mit noch unbekannteren Gesichtern

Die Taschen sind gepackt. Oh ja und wie sie das waren. Zwearsch, unser Taxifahrer zum Salzburger Flughafen nimmt die Herausforderung auf sich. 75KG hatten wir mit dabei, aufgeteilt auf vier Packtaschen und zwei Tagesrucksäcke. Und trotzdem hatten wir das Gefühl, wir hätten etwas vergessen.
 
Gepäck für alle Fälle ©www.wusaonthemountain.at
Wir werden schnell bemerken, dass wir mit Abstand das meiste Zeug dabei hatten. Typisch Frau könnte man jetzt behaupten…von mir aus könnt ihr das auch behaupten. Aber die Hardware war einfach so viel. Als wir bei der Türkish Airline eingecheckt haben, sind wir verwundert, dass rund 4KG Übergepäck toleriert wurden. Dann saßen wir auch schon im Flieger Richtung Istanbul, um dort dann unseren Weiterflug nach Bishkek zu erreichen. Der Flug nach Istanbul verging erstaunlich schnell und Dank des vorzüglichen Essens auch gut gesättigt. Am Flughafen in Istanbul traf uns dann das erste Mal der Schlag. So viele Menschen, so viele Gates und so viel Trubel.
 
Airport Istanbul um 21:00 ©www.wusaonthemountain.at
Wir fanden unser Anschlussgate und fühlten uns ein bisschen wie im Film „Terminal“ mit Tom Hanks. Irgendwo im Nirgendwo. Nicht mehr in Österreich, aber auch nicht in der Türkei.
 
Warten auf den Anschlussflug ©www.wusaonthemountain.at
Endlich. Unser Flug nach Bishkek wurde aufgerufen und wir flogen gemeinsam mit wahnsinnig unterschiedlichen Menschen in die Nacht hinein, oder der Nacht davon. So genau können wir das gar nicht mehr sagen. Wir hatten keine Nacht, denn als wir in Bishkek (Hauptstadt Kirgistans) ankamen, war es bereits sechs Uhr in der Früh. Geschlafen hatten wir bis dahin nicht. Wir standen an der Passkontrolle. Die nicht ganz freundlich schauende Dame hatte mit meinem Pass kein Problem, dafür mit dem von Wu umso mehr. Während ich bereits Tourist Kirgistans inklusive Stempel war, musste ich auf Wu sehr lange warten. Dabei stand er direkt hinter mir. Aber ja wir müssen zugeben, dass das Passbild aus dem Jahre Schnee stammte und Wu heute bei weitem wirklich nicht mehr so aussieht. Aber dann 10min. bekam auch Wu seinen Stempel in seinen Pass und wir konnten zum Gepäck gehen. Natürlich kam das nicht komplett an und eine meiner Taschen fehlte. Irgendwie war das blöd, denn darin war meine gesamte Hardware. Keine Seltenheit wie uns dann Elena (Asia Mountains Agentur) mitteilte und irgendwie auf russisch mit der Kontaktperson von Türkish Airlines die Nachlieferung regelte. Am nächsten Morgen, wenn wir ins Base Camp fahren würden, hätte ich meine verlorene Tasche. Ich hoffte es sehr.
 
Morgens um 07:00 am Airport Bishkek – das Gepäck fehlt! ©www.wusaonthemountain.at

Was wir übersehen hatten, war, dass wir keine Übernachtung in Bishkek hatten, sondern direkt weiter nach Osh (eine der ältesten Städte an der Seidenstraße) fliegen würden und erst dort ein Bett zum schlafen vorfinden würden. Also warteten wir gemeinsam mit Sergio (Italiener, der zum dritten Mal am Pik Lenin war und diesmal mit Bergführerin den Gipfel versuchen wollte) am Flughafen auf unseren Weiterflug. Gemeinsam mit den beiden Damen der Agentur, die uns schon ein bisschen in Stimmung brachten. Sie erzählten einiges über den Pik Lenin, aber auch von bereits vier Toten in dieser Saison, innerhalb nur fünf Tagen. Ja, wir wussten worauf wir uns einließen und versuchten diese Thematik nicht zu weit an uns ran zu lassen. Wir stiegen in die veraltete Maschine von Pegasus Airlines – na hoffentlich hat das Ding wirklich Flügel wie Pegasus. Es kracht überall, als wir starteten. Wir haben nicht lange darüber nachgedacht. Nach nur 40min. sind wir dann auch schon in Osh gewesen. Stiegen aus und wurden zur Gepäckausgabe gefahren. Na ja und unser Gepäck wurde mit einem ehemaligen russischen Armee-Laster zu einem Carport gefahren. Dort durften wir es uns dann selber vom Laster fischen.
 
Gepäckausgabe in Osh – da muss jeder selber noch ran! ©www.wusaonthemountain.at
 
Kann schon irgendwer unser Gepäck sehen? ©www.wusaonthemountain.at
Ein netter Herr sammelte dann noch unsere Gepäckaufkleber ein, sonst hätten wir das Flughafengelände nicht verlassen können. Hinter der Absperrung warteten schon unsere Fahrer. Endlich sollte es in ein Hotel gehen. Die Menschen um uns herum hätten verschiedener nicht sein können. Asiaten, Russen, Kirgisen, Usbeken – und keiner glich dem anderen. Aber alle sprachen die gleiche Sprache. Wir fuhren durch Osh in unserem Geländewagen und waren etwas schockiert. Dort wirkt und ist alles irgendwie kaputt und unfertig oder schon wieder zerstört. Schön? Nein, dass war nicht schön und wir ahnten schlimmstes für unser Hotel. Dann fuhren wir auf den Innenhof des Sunrise Hotels. Na ja – das sah ganz ok aus – zumindest traf man hier auf sehr liebe Menschen!
 
Im Abendlicht schaut es eigentlich ganz schön aus…©www.wusaonthemountain.at
 
SUNRISE Hotel – sicher eines der besseren Hotels in Osh! ©www.wusaonthemountain.at
Wir trafen auf Evgenia (Organisatorin Asia Mountains) und die gab uns unser Zelt und Kocher/Kochgeschirr. Wir bezogen danach sofort unser Zimmer. Gewöhnungsbedürftig. Aber immerhin ein sauberes Bett. Mittagessen gab es dann auch. Haare mit Spagetti und Hähnchen, das zwei Mal wieder rauf kam. Aber egal, wir fielen zurück ins Bett und schliefen. Auch das Abendessen war nicht unbedingt viel besser. Die Nacht läuteten wir schnell ein und am nächsten Morgen dann die beruhigende Nachricht. Mein Gepäckstück war auf dem Weg zu mir, so dass wir dann pünktlich um 10:30 in Richtung Base Camp „Achik Tash“ aufbrachen. Gemeinsam mit Sergio und seiner Bergführerin, unserem Fahrer und seinem Camp-Kollegen.
 
Warten auf´s fehlende Gepäckstück…l. ist Sergio! ©www.wusaonthemountain.at
Sechs Stunden Autofahrt in die Berge stand uns bevor und wir waren sehr gespannt. Wir stellten schnell fest, dass außerhalb von Osh wirklich nichts mehr kommt.
 
Nichts auf dem Weg zum Base Camp ©www.wusaonthemountain.at
Die Besiedlung ist karg und auf Häuser folgten viele Jurten. Esel hat das Land genauso viele wie Pferde. Alle stehen vor allem gerne auf den Straßen und machen unsere Autofahrt zur Zerreißprobe unserer Nerven. Irgendwann sind wir dann wirklich im Nirgendwo gewesen und es ist interessant, wie schnell man sich einfach von irgendwelchen Leuten, irgendwo hinfahren lässt.
 
Kurzer Stopp um zwei Eimer voll Aprikosen zu kaufen! ©www.wusaonthemountain.at
Nachdem wir dann zwei Pässe passiert hatten und um eine Kurve bogen, standen Sie dann zum ersten Mal da. Die ganz großen Berge des Pamir-Gebirges.
Taldyk-Pass bis auf 3600m hinauf…. ©asia-mountains.com
 
Das Pamir-Gebirge (ein Teil davon) ©www.wusaonthemountain.at
 
Wir sind sprachlos und unsere Blicke können nicht mehr von ihnen ablassen. Wir verlassen die befestigte Straße, und fahren über eine fragwürdige Brücke. Ab jetzt fahren wir durchs Gelände immer dem Holz-Schild „Lenin Peak“ folgend. Die Spannung stieg und wir fuhren wie in einer Achterbahn. Rund 1,5 Stunden wurden wir durchgeschüttelt, haben gefühlt eine Million Pferde und Schafe gesehen, einige Familien die am Wegrand in ihren Jurten dem Familienleben nachgingen und dann kamen wir an, an unserem ganz persönlichen Base Camp auf 3600m – wir haben ein kleines aber feines Camp. Neben uns war das große Base Camp der ganz großen Agenturen. Wir waren froh über unser kleines und sind beeindruckt vom Ausblick.
 
Base Camp Asia Mountains auf 3600m ©www.wusaonthemountain.at
Ganz hinten, hinter den sieben Bergen, da stand er schon, der Pik Lenin. Im strahlenden Sonnenschein beeindruckte er mit seiner Schönheit.
 
Der Pik Lenin (7134m) von unserem Base Camp (3600m) aus ©www.wusaonthemountain.at
 
 
Davor grüne Wiesen und endlose Weite. Wir haben ausreichend Luft, als wir unser Zelt beziehen. Die erste Hürde 3600m haben wir also schon mal komplikationslos genommen. Das lag sicherlich an unserer Akklimatisierungszeit im Gairrit-Höhentrainingszelt vorher. Wir sind dankbar, dass wir gesund uns einrichten und das erste Mittagessen in der Jurte genießen konnten.
 
Häuslich einrichten für die kommenden drei Tage auf 3600m…©www.wusaonthemountain.at
Mittagessen in unserer Jurte – gar nicht mal so schlecht! ©www.wusaonthemountain.at
Pik Lenin, da waren wir nun und waren wahnsinnig gespannt auf die kommende Zeit. Es war warm und hatte perfektes Wetter. Fast zu perfekt. Irgendwann wurde es dann Abend, und als die Sonne weg war, wurde es auch schnell kalt. Wir waren eben doch auf 3600m und die erste Nacht in unseren Mountain Equipment Schlafsäcken, brach schnell herein. Geschlafen haben wir, trotz starkem Wind, relativ gut und ich habe die erste Lektion im Höhenbergsteigen gelernt. „Immer langärmelig und mit langer Unterhose schlafen. Dann wird es am Oberkörper nicht kalt und die Beine kleben nicht am Schlafsack, wenn man mal schwitzt.“ Und dass sollte, für diese Reise, nicht die letzte Lektion bleiben.