Startnummer abgeholt – l´Integrale des Causses (63k) 
Nachdem Christian schon eine ausgiebige Einführung zum Festival des Templiers gegeben hat, spare ich mir das jetzt. Wieso, weshalb, warum wir uns also in Millau in Frankreich eingefunden hatten, wisst Ihr ja jetzt schon – Christian hat seinen ersten 100Km-Ultralauf hinter sich gebracht und ich wollte mich gerne auf den 63Km und 2800Hm+ dem „Integrale des Causses“ probieren. Das war der für mich bisher längste Lauf, gepaart mit den meisten Höhenmetern. 
Auch ich hätte schlechter nicht vorbereitet sein können – kein Lauf mehr in den letzten drei Wochen…nur ab und an, mal ne kurze Runde, weil unser Hundekind Luke eingezogen ist. Dafür haben wir insgesamt doch recht viel am Berg gemacht und zwei weitere lange Ultras hatte ich ja bereits im Sack. Sollte also klappen, oder?

Prolog: Christian versuchte mich nicht aufzuwecken Freitagnacht, als sein Wecker um 02:00 Uhr klingelte. Natürlich wurde ich wach, weil mein Schlaf vor einem Rennen ohnehin nicht der tiefste ist. Ich stand auch mal kurz auf, schaute aus dem Fenster. Die Burg lag im Nebel ganz unheimlich, genau wie unsere Straße eher etwas von Mittelalter als von Gegenwart hatte. Ich legte mich wieder hin, um vielleicht doch noch zwei Stunden Schlaf zu erhaschen. Irgendwann gab mir Christian ein Bussi und fuhr los. Ich würde ihn hoffentlich abends im Ziel nach einem langen Tag wieder sehen. Ich stand dann gegen 04:00 Uhr morgens auf und machte mich alleine in unserem Appartement bereit. Frühstück, Rennrucksack überprüfen, Zähne putzen und dann habe ich mich ins Auto gesetzt, um zum Start zu fahren. Dort warteten Shuttlebusse, die uns zum Startpunkt in Mostuéjouls gebracht haben. Startzeit unseres Rennens war dann 07:00Uhr und mit weiteren 450 Läufern stand ich dann an eben diesem pünktlich und gut gelaunt. Es war noch immer dunkel und ohne Stirnlampen ging da leider nichts.
Unsere Burg…allerdings tagsüber fotografiert.
…und unsere Straße des Hotels.


Kilometer 1-15 – erst dunkel und kalt, dann hell und gigantisch genial

Die Masse setzte sich zügig in Bewegung – sehr flott im Prinzip. Doch eine erste kleine Staustelle ließ auch meinen Puls sofort wieder sinken. Sehr zuvorkommend und rücksichtsvoll ging es hier zu. Der schmale Trail wurde nur im Gänsemarsch bezwungen, bevor wir dann eine Forststraße ganz leicht bergab liefen. Über diese erreichten wir eine kleine Ortschaft nach vier Kilometern und schlängelten uns durch Gässchen und uraltes Kopfsteinpflaster, bevor es dann einen Singletrail wieder hinauf ging. 
Langsam wurde es hell
…und die Täler erwachten.
Ich fühlte mich extrem fit, obwohl mein Puls schon in sehr roten Bereichen war. Auf und ab und dann liefen wir dem ersten Berg entgegen. Relativ steil, ging es vorbei an alten Burgmauern und interessanten Felsformationen hinauf. 
Viele packten hier das erste mal die Stecken aus
Ein wunderschöner schmaler Singletrail eröffnete sich uns dann, den wir querend entlang der Felsen weiter liefen. Nur dürftig wurden Felsabgründe abgesichert. Lediglich Absperrband und ein Schild mit dm Wort „Danger“ kündigte kritische Stellen an. 
Rückblicke von dort kamen wir hier
Schöner Trail, oder?
Felsformationen und Aussichten entlang der Strecke
Das genügt doch als Absperrung, oder?
Ich fühlte mich wohl und musste schmunzeln. So wäre das sicherlich in Österreich nicht erlaubt, bei Franzosen, Spaniern und Italienern ganz normal. Es begann ein schöner Downhill, der uns dann auf eine Straße führte. Leicht bergab kamen wir über diese dann zu einer Wasserstelle, wo ich meine Speicher auffüllen konnte. Über uns kreisten die Geier und das meine ich ernsthaft so. In diesem Nationalpark gibt es noch massig echte, freie Geier und diese flogen gerade über uns. Ich füllte mein Wasser auf und lief über die kleinen Gassen weiter hinunter zum Bach „La Jonte“ – die ersten 15 Kilometer lagen hinter und der nächste Uphill bereits vor mir und eine Person mit Scaner quittierte, dass ich auch wirklich durch diesen Punkt gelaufen war.
Kilometer 16-30 – ausschließlich Singletrail wohin das Auge reichte
Ab diesem Zeitpunkt wurde es dann mal kurz ein Wandertag, denn der nächste Uphill war steil. Dennoch sehr kurzweilig und ich konnte die Aussichten genießen. Ich war noch immer nicht alleine, immer mal wieder überholte mich ein Läufer oder ich schloss zu anderen Läufern auf. 
Anstellen bei der Kletterstelle
Ob dort noch jemand wohnt?
Es ging im oberen Bereich dann noch etwas über Wiesenwege und schlussendlich erreichten wir ein Plateau, auf diesem wir dann teils durch Wälder oder nur Wiesen entlang liefen. Meine Beine wurden zu diesem Zeitpunkt schon ein bisschen müde, aber die Motivation war noch top. 
Dann wieder durch den Wald, der Sonne entgegen
Ein Selfie wollte ich mal machen…
Auf die für mich nächste große Verpflegungsstation, freute ich mich trotzdem schon sehr. Die befand sich oben auf dem Plateau in einer kleinen Ortschaft. Eine Art Gemeindesaal stellte das dar und als ich diesen erreichte, füllte ich meinen Magen vor allem mit Crepe und Balisto auf. Zu trinken gab es für mich nur Cola und Wasser. Der nächste Energieschub war mir sicher. Hier traf ich auch auf Birgit (Deutsche, die in Frankreich lebt) und ihrem Mann. Sie hatte mir am morgen ein paar Dinge ins Deutsche übersetzt. Ihr ging es gut, aber ihrem Mann nicht so. Sie sagte mir, dass ich jetzt wirklich piano machen solle, weil der schwierigste Teil erst jetzt beginnen würde. Ich nahm ihren Rat zu herzen und wusste nicht, dass Sie noch eine große Rolle spielen würde zu einem späteren Zeitpunkt. Ich verließ also die Verpflegungsstation zunächst über eine Straße und dann über einen Wiesenweg im strahlenden Sonnenschein leicht bergab, weiter über das Plateau. 
Trails, Trails, Trails…
Und ein Läufer überholt mich..
Kilometer 31-54 – leichte Singletrails, schwere Singletrails, motiviert und unmotiviert
Inzwischen lief ich schon sehr alleine. Immer mal wieder kam wer vorbei oder rückte ich auf. Die Sonne wärmte, war aber nicht zu warm und die Aussicht war gigantisch. Ich kann das auch schwer erklären, es war einfach perfekt genau in diesem Moment hier zu laufen. Ich erreichte nach einer Weile ein Stück Wald, durch das lief ich und dann in kleinem auf und ab immer weiter. Dann erreichten wir ein Felsvorsprung, von dem ich dann im Prinzip bereits Millau entdeckten konnte. Es lag noch immer in weiter Entfernung, aber es war immerhin sichtbar. Ich fragte einen Läufer der ebenfalls kurz Pause machte, ob er ein Bild von mir machen könne. Tat er auch und dann liefen wir weiter. 
Ganz dahinten draußen ist Millau
Nicht mehr ganz fit, aber ein Foto muss sein
Wir hatten eine kleine Gruppe gebildet und blieben zusammen. Daniel, unser Freund hatte mich schon vor Stunden überholt und ich vermutete, dass er schon im Ziel sein müsste. Der Trail wurde immer trailiger und anstrengender. Ich hatte nun eine Ahnung von dem, was mir Birgit mit auf den Weg gegeben hatte. Teile Dir Deine Kräfte gut ein. Über fast 10 Kilometer ging es einen sehr abschüssigen Trail entlang. Das beanspruchte die Fußgelenke sehr, denn ständig lief man schräg. Meine Beine wurden sehr, sehr schwer und meine Motivation ließ auch nach. Nicht weil es nicht schön gewesen ist, aber ich war schon recht leer. Ich motivierte mich einfach immer weiter – hielt durch und freute mich schon wahnsinnig auf die nächste Verpflegungsstation. Auf der Strecke standen immer wieder Personen mit Scannern, die uns überwachten. 🙂 Aber vor allem motivierten Sie mich, weil sich mein Name im französischen so schön anhörte. Und dann ging es seit langer Zeit mal wieder steil bergab. Entlang eines Flussbetts ging es so richtig steil und technisch bergab und ich konnte meine Füße noch mal in Bewegung bringen. Mächtig schnell war ich nicht mehr, aber ich wusste, ich würde in jedem Fall im Cut Off liegen. Das war für mich, das einzige was zählte. Nach reichlich Wurzelwerk erreichten wir dann wieder eine Straße, die uns über zwei Kilometer zur nächsten Wasserstelle und leider auch meinen Albtraum näher brachte. Die Wasserstelle in Massebiau hatte einen Vorteil und einen Nachteil. Der Vorteil war ganz klar in den nur noch neun bestehenden Kilometern, die ich machen musste. Der Nachteil war allerdings, dieser erbarmungslose Berg, den wir jetzt noch zu bewältigen hatten. Ich setzte mich nieder, nahm meine Gels und trank reichlich. Gleichzeitig versuchte ich das mentale Loch nicht zuzulassen. Und dann stand auf einmal Birgit wieder neben mir. Allerdings ohne ihren Mann. Sie hatte also aufgeschlossen und bot mir jetzt an, dass wir gemeinsam die letzten neun Kilometer machen würden. Sie muss die Verzweiflung in meinen Augen gesehen haben. Ich nahm dieses Angebot sehr, sehr dankbar an.
Kilometer 55-63 – der Berg ist ungnädig und ein Schritt runter, zwei wieder rauf
Eine wahre mentale Belastungsprobe stellte dieses Rennen nun an mich und ich war froh über Birgit, die mich zog. Wir machten uns auf den finalen, letzten Abschnitt gemeinsam im Schritttempo. Der Trail ging geradezu senkrecht hinauf und wir kamen nur noch langsam voran. Meter um Meter kämpfte ich, aber dachte mir die ganze Zeit, dass es ja irgendwann aufhören müsste. 
Birgit zieht mich den Berg hinauf
Dann legte uns der Trail Felsen in den Weg, über die man auch noch „klettern“ musste und meine Beine beschwerten sich lautstark. Birgit motivierte mich, wo sie nur konnte. Bewundernswert. UND dann, dann war es endlich geschafft. Wir waren oben und hatten jetzt erst einmal nur ein „flaches“ Stück zur letzten großen Verpflegungsstation „Le Cade“ bei KM 58. Wir „liefen“ oder versuchten es jedenfalls. Immer wieder im Wechsel, schafften wir es doch noch recht flott weiter zu kommen. Und dann stolperte ich endlich in die rettende Station mit Crepe und Cola. Es war außerdem an der Zeit sich auch wieder wärmer anzuziehen, weil die Sonne bereits nicht mehr ganz so warm vom Himmel schien, es wurde dämmerig. Auch Birgit zog sich an und dann liefen wir weiter. Beide wollten wir nur noch ins Ziel. Zunächst immer noch im leichten auf und ab, kamen wir langsam, aber immerhin laufend voran. Ich danke ihr trotzdem, denn ohne sie wäre mein laufender Teil sicherlich geringer ausgefallen. Und dann kamen wir zum Sendemasten, ab dem es eigentlich direkt ins Ziel nur noch bergab gehen sollte. 
Im letzten Tageslicht, kurz vorm finalen Downhill.
Ging es auch, allerdings nahezu senkrecht. Serpentinen waren ein Fremdwort und meine Beine sagten laut „Hallo“? Die Organisatoren waren außerdem der Meinung, dass wir unbedingt noch durch eine Grotte laufen mussten. Bis dahin ging es bergab, allerdings immer nur so: ein Schritt bergab und zwei wieder bergauf. Es nahm kein Ende. Dann durchliefen wir die Grotte und legten hier unsere Stirnlampen wieder an. Es war stockfinster. Birgit versicherte mir, dass es jetzt dann wirklich nur noch bergab gehen würde. Tat es dann auch und darüber war ich sehr happy. Trotz Schmerzen, nahmen wir noch mal Fahrt auf und dann hörte ich erst ganz leise, dann etwas deutlicher, die Lautsprecher des Ziels. Ich freute mich! Gleich würde es vorbei sein, ein langer Tag und eine lange Saison zu Ende gehen. Daniel (Finisher 100K in 13:10Std.) und sein Dad saßen da und feuerten mich an. Ein Schritt vor den nächsten, dann versuchte ich die Treppen noch elegant zu nehmen….eine kleine Schleife drehen und dann bog ich in den Zielbogen ein. Schritt, Schritt, Schritt – geschafft! Der Moderator erkannte mich wieder und jubelte. Ich hatte ihn am morgen kennengelernt im Bus und wir kamen ins Gespräch. Er versprach mir, wenn ich finishen würde, dann wäre ich die beste Österreicherin! Und dann sagte er es durchs Mikrofon. Zwar auch die einzige Österreicherin bei diesem Lauf schaffte ich es mit einer Zeit von 12:33Std. auf Platz 19. in meiner Altersklasse und auf den 267. Gesamtrang. Den Titel beste Österreicherin habe ich mir auch gesichert, denn das schaffe ich wohl nie mehr so leicht und so schnell wieder. 63 Kilometer mit 2800Hm+/- lagen hinter mir.
Und heute ein paar Tage später bin ich noch immer stolz auf meine Leistung und natürlich auch auf Wu, der seinen ersten 100 Kilometer-Ultra gemeistert hat. Er kam um 23:30 im Ziel an, wo ich gemeinsam mit Daniel auf ihn gewartet hatte. Wir fielen uns alle in die Arme. 
Sonntags ging es dann noch kurz nach Toulouse bevor es mit dem Flieger wieder heimwärts ging. Dieses Rennen ist absolut empfehlenswert und bietet wirklich für jeden Geschmack etwas. Vier Tage lang Rennen, mit verschiedensten Distanzen. In diesem Jahr nahmen 12.000 Läufer das Örtchen Millau in Beschlag. Schön war es und wir kommen bestimmt noch mal wieder. Ein erstes Filmchen zum Event, gibt es auch schon hier… ach ja und für alle Fans des „leichten“ Gepäcks…hier gibt es im Prinzip keine Pflichtausrüstung und das mit Erfolg seit fast 20 Jahren. 
Ziel, Ziel, Ziel – die Saison haben wir hiermit gut beendet