Es ist bereits ziemlich dunkel als wir eine schmale Landstraße aus Millau heraus fahren und wir unsere Unterkunft für die nächsten Tage suchen. Straßenlaternen gibt es hier nicht, also nicht mehr nachdem wir das Ortsausgangsschild von Millau durchfahren. Es ist auch sonst nicht viel zu sehen, als wir bereits zehn Minuten lang auf dieser einsamen Straße fahren. Wir fahren durch ein Minidorf, es ist schwach beleuchtet und die Steinbauten wirken wie aus einem vergangenen Jahrhundert. Dann ist es wieder finster und wir zweifeln daran, dass wir hier noch richtig sind. Wir haben das Hermitage Saint Pierre gebucht – da es quasi nur  fünf Zimmer hat, haben wir es für uns, wenn wir es denn finden. Unser Festival des Templiers Rennen beginnt aufregend.

20 Minuten später finden wir ein ziemlich imposantes, altes Gemäuer, mit aufwendiger Beleuchtung – wir glauben nicht, dass wir hier richtig sind. Das Einfahrtsschild besagt aber, dass wir hier Zuhause sein werden – also fahren wir eine Böschung hinab, queren einen Bach mit einer abenteuerlichen Brücke, die bei starken Regen sehr häufig überspült ist und stellen unser Auto ab. Eigentlich sind wir sprachlos, als wir den Aufgang hinauf gehen – es ist imposant, beeindruckend und unwirklich. Unsere Unterkunft für das Festival des Templiers Rennen, ist tatsächlich ein uraltes Prieuré de Sion Kloster, wie uns Caroline und Guilhem, die Hausherren beim Zimmer zeigen erklären, die Benediktiner haben es bewohnt. Und das Ganze haben wir mit Ihnen gemeinsam komplett für uns – gigantisch.

Urlaub mit Freunden in Frankreich – das Festival des Templiers Rennen gehört dazu

Wir sind hier in Frankreich, in einem Kloster mit Eseln, Schafen, Hühnern und jeder Menge Natur. Gemeinsam mit guten Freunden, das Wichtigste an diesem Kurzurlaub. Dabei sind Steve und Sandra, Rupi, Tom und Silke – leider nicht dabei sind Tobi und Funny, weil das Auto im letzten Augenblick aufgebrochen und um das Lenkrad und Steuergerät beraubt worden ist.  Auch Daniel ist leider nicht dabei, weil er gesundheitlich angeschlagen ist. Daher sind wir leider nicht komplett, halten aber die Stellung. Für das Festival des Templiers Rennen haben wir uns verschiedene Strecken vorgenommen: Tom und Steve sind für die 100 Kilometer angemeldet, Silke, Wu, Rupi und ich für die 65 Kilometer und Sandra erlebt ihr Traildebüt auf 7 Kilometern.  Die ersten zwei Tage genießen wir das französische Leben und die Sprache, zumindest überwiegend und trudeln irgendwann im Veranstaltungsbereich ein, um unsere Startunterlagen abzuholen.

Ein prestigeträchtiges Rennen

In diesen vier Tagen des Festivals gibt es 15 verschiedene Distanzen, 12.000 Trailrunner beherbergt das kleine Städtchen Millau und trotzdem merken wir am Donnerstag, Tag 1 des Festivals nichts so viel davon. Dafür vor allem am Samstag umso mehr. Wir essen am Vorabend des Rennens gut, kaufen diverse Frühstücksbestandteile im Supermarkt ein und machen uns auf den Weg zurück in unser Kloster. Wir fallen früh ins Bett, denn die Wecker holen uns früh aus genau diesem wieder raus. Freitag, 18.10.19, Startpunkt früh – vor allem für Tom und Steve, genau wie Sandra, die so lieb ist und uns alle zum Startbereich fährt. Silke, Rupi, Wu und ich können einen Moment länger schlafen, aber es ist noch immer dunkel und finster als wir im Auto zur Startlinie sitzen.

Integrale des Causses – 63 Kilometer und 3040 Höhenmeter durch die Midi-Pyrénées

Sandra fährt uns zum Start des Integrale des Causses, der irgendwo in der kleinen Ortschaft Peyreleau ist. Dort angekommen, finden wir trotz hunderter Läufer nicht gleich den Start. Alles läuft entspannt: Kein Startbogen, kein Startband – einfach nur ein kleiner Vorhof eines Gebäudes im Dunklen. Die Musik allerdings ist richtig laut. Hier wird nur französisch gesprochen, aber wir machen einfach den anderen alles nach. Auch die zweimalige Welle, bei der wir erst in die Hocke gehen müssen und dann wellenartig wieder nach oben. Zack – es geht los. Rupi ist als erstes weg, er ist auch deutlich schneller als wir. Silke, Wu und ich laufen zusammen, so wie wir es vorher besprochen hatten. Leider auf den ersten Metern auch deutlich zu schnell. Der Straßenanteil ist wirklich gering und wir laufen ziemlich schnell auf den ersten Trails im Wald.

Der erste Anstieg zieht sich in extrem vielen Serpentinen den Wald hinauf und mit jedem Meter den es höher geht, wird es endlich heller. Um uns herum entdecken wir die fantastische Gegend und genießen das voran kommen. Es folgt ein erstes flaches Stück bevor es über einen absoluten Traumtrail etwas bergab geht. Wir schlängeln uns entlang der Felswände, heute werden wir immer wieder kurze, knackige Anstiege erleben. Von Plateau zu Plateau, ausschließlich über Trails. Ein nächster Anstieg folgt und als wir oben ankommen ist nach 12 Kilometern klar, das Wu und ich Silke ziehen lassen. Sie ist extrem stark heute und wir wollen sie nicht aufhalten, ich wünsche ihr für das restliche Rennen das Beste und freue mich, wenn wir uns im Ziel wiedersehen.

Ein langer Weg zur ersten Verpflegungsstation bei Kilometer 21 – erst einmal sammeln, erholen und essen

Als wir in der ersten Verpflegungsstation eintrudeln plündern wir das Büffet, das extrem vielfältig ist. Allen voran Crepe. Ich liebe Frankreich. Wu hadert aktuell etwas mit sich, ist eigentlich schon müde. Ich peppel ihn mit Crepe und Cola wieder auf. Wir laufen weiter und mit jedem Meter und Kilometer wird die Laune von Wu und die Performance besser. Wir finden rein ins Rennen und können es genießen. Die nächsten Kilometer zur nächsten Wasserstation bei Kilometer 31 sind die vermutlich schönsten Kilometer über feinste Singletrails mit Traumaussichten.  Wu und ich harmonieren jetzt beim laufen richtig gut miteinander. Wir quatschen viel und sind super happy in diesem Moment genau hier zu sein.

Die zweite Hälfte des Rennens – Kilometer 31 bis 51 in Massebiau

Es rennt, kann man sagen. Bei Kilometer 40 holt uns dann auch Tom ein, der sehr gut auf den 100 Kilometern unterwegs ist. Wir nutzen die kulinarischen Highlights auf den Verpflegungsstationen und die landschaftlichen Highlights für Fotos und Genuss pur. Natürlich werden wir inzwischen auch ein bisschen müde, denn es bleibt ein langer Tag. Und wir merken, dass uns der letzte Aufstieg in den Sinn kommt, denn wir kurz vor knapp noch vor unserer Nase haben. Der Downhill nach Massebiau zieht sich etwas – es ist zwar ein extrem technischer Trail, aber irgendwie will der auch kein Ende nehmen.  Richtig flott vorwärts kommen wir auch nicht – aber wir laufen noch und das ist die Hauptsache. Als uns der Singletrail ausspuckt, sind es nur ein paar Meter auf Asphalt in dem kleinen Örtchen. Über eine alte Brücke unter Anfeuerungsrufen und Jubel. Wir mögen die Franzosen, die diesen Sport einfach so viel mehr zelebrieren. Dieses Rennen ist auch das einzige Rennen, neben dem Großglockner Ultratrail, bei dem ich ohne Probleme auch mehrfach die Strecken laufen kann. Es ist jedes Mal ein Traum. Wir füllen unsere Wasserreserven noch einmal auf und essen ein paar Nüsse.

 

Die nun folgenden knapp vier Kilometer sind sehr fordernd. Es ist der mit Abstand steilste Abschnitt und knapp 600 Höhenmeter wollen noch einmal bezwungen werden. Wir gehen in eine Wand hinein und so manchen schießt es hier so kurz vor dem Ziel ins Aus. Wir steigen Schritt für Schritt über diesen wunderschönen Steig nach oben. Schritt, Schritt, atmen, Schritt, Schritt, atmen. Manche fallen um, liegen im Gebüsch. Sanitäter kommen zur Hilfe. Einige sind noch immer wahnsinnig schnell. Wir sind irgendwas dazwischen, gehen aber kontinuierlich weiter. Denn irgendwann hat auch der krasseste Aufstieg ein Ende – auch dieser. Oben laufen wir wieder durch wunderschönen Wald und erreichen die letzte Verpflegungsstation des Tages. Es ist ein uralter Stall, alles aus Stein. Wunderbar. Einfach passend zu dieser ganzen Zeit, die wir hier in Frankreich verbringen. Ich bekomme ein original französisches Lied gespielt und fühle mich trotz wirklicher Sprachprobleme so herzlich hier willkommen. Es seien nur noch sechs Kilometer ins Ziel, ein Klacks quasi. Wäre da nicht dieser allerletzte Downhill.

 

Steiler, letzter Downhill, eine Höhle und eine Stirnlampe, die wir nicht mehr brauchen

Wir verlassen die letzte Verpflegungsstation nur ungern – wollen aber jetzt auch einfach, dass dieser Tag ein Ende nimmt. Denn so ganz langsam sind wir auch wirklich müde. Die nächsten drei Kilometer geht es noch relativ flach über das Plateau. Wir laufen zum Gipfel-Sendemasten hoch über Millau und drum herum. Dann endlich startet der Downhill nach Millau, der letzte Downhill beim Festival des Templiers Rennen. Steil, ja extrem steil. Und man schlägt Haken wir ein Hase. Mitten durch die Wand geht es runter. Kurzzeitig auch immer extrem steil bergauf. Durch eine Höhle, ohne Stirnlampe auch sehr spannend. Die Stirnlampe wollte ich schon aus Prinzip nicht mehr raus holen, weil ich eigentlich bei Tageslicht einlaufen wollte.

Das ohne die Stirnlampe hat dann auf Grund der Lichtkegel der anderen Läufer ganz gut geklappt und trotzdem verliere ich auf den letzten 800 Metern kurzzeitig mal meine Nerven. Es liegt so viel Geröll, das Laufen fast unmöglich ist und es ist so steil. Und das Ziel ist eigentlich so nah. Dann erreichen wir die Zielkurve, sehen unsere Freunde die auf uns gewartet haben, laufen um die nächste Kurve, etwas bergauf und durch den Zielbogen. Geschafft – wieder einmal. 63 Kilometer und 3.040 Höhenmeter liegen hinter uns. 12:35 Std. ist die Zeit inkl. vieler Minuten, die wir mit dem Essen von Crepes verbracht haben.

 

Was wäre das Leben ohne Freunde?

Zusammenfassend bleibt dieser Kurzurlaub auf jeden Fall in Erinnerung – das Rennen, die wunderbare, außergewöhnliche Unterkunft und unsere Freunde, die diesen Urlaub so wundervoll haben werden lassen. Dieses Rennen gehört nach wie vor zu unseren Lieblingsrennen und nach 2015, als ich schon mal den 64k-Lauf gelaufen bin und Wu den 100k-Lauf , besteht die Möglichkeit, dass wir wiederkommen. Danke an Tom & Silke, Danke an Steve & Sandra und Danke an Rupi, für die tolle Zeit und die Freundschaft!